Steht die Welt vor einem neuen M&A-Superzyklus?

Steht die Welt vor einem neuen M&A-Superzyklus?

Nach einer Phase der relativen Stagnation erlebt der globale Markt für Fusionen und Übernahmen eine beispiellose Renaissance, die nicht durch die schiere Anzahl, sondern durch das monumentale Volumen und die strategische Tiefe der Transaktionen definiert wird. Das Jahr 2025 markiert eine tiefgreifende Wende, angetrieben von technologischer Disruption, einer sich stabilisierenden Weltwirtschaft und einem erneuerten strategischen Mut in den Vorstandsetagen weltweit. Während die Schlagzeilen von milliardenschweren Übernahmen dominiert werden, stellen sich Branchenexperten eine weitreichendere Frage: Beobachten wir nur einen vorübergehenden Aufschwung oder stehen wir am Anfang eines langanhaltenden Superzyklus, der die Unternehmenslandschaft für die kommende Dekade neu gestalten wird? Die Indizien verdichten sich, dass es sich um mehr als nur einen zyklischen Höhepunkt handelt, sondern um eine fundamentale Neuausrichtung der globalen Wirtschaftsarchitektur, in der strategische Akquisitionen zum entscheidenden Instrument für Wachstum und Überleben werden.

Ein Markt der Gegensätze: Weniger Deals, Historisches Volumen

Das herausragende Merkmal des M&A-Jahres 2025 war eine bemerkenswerte Diskrepanz, die eine deutliche strategische Verschiebung im Markt signalisiert. Während die Gesamtzahl der weltweit angekündigten Transaktionen mit 38.395 um rund 6 % leicht zurückging, explodierte das kumulierte Transaktionsvolumen förmlich. Es erreichte mit über 4,8 Billionen US-Dollar einen historischen Höchststand und verzeichnete einen beeindruckenden Anstieg von 41 % gegenüber dem Vorjahr. Dieser gewaltige Zuwachs wurde maßgeblich durch eine Rekordzahl von 70 sogenannten „Mega-Deals“ angetrieben, bei denen jede einzelne Transaktion einen Wert von über 10 Milliarden US-Dollar aufwies. Diese Konzentration auf massive, strategische Vertragsabschlüsse unterstreicht einen klaren Wandel: Unternehmen fokussieren sich nicht mehr auf eine hohe Frequenz kleinerer Zukäufe, sondern setzen auf transformative, großvolumige Übernahmen, die ganze Branchen nachhaltig verändern und ihre eigene Marktposition fundamental stärken sollen.

Diese Entwicklung deutet darauf hin, dass die Bereitschaft der Unternehmen, höhere Prämien für strategisch wertvolle Akquisitionen zu zahlen, signifikant gestiegen ist. Experten wie Mark McMaster von Lazard bestätigen, dass die Unternehmensbewertungen zugenommen haben und Vorstände zunehmend bereit sind, für transformative Zukäufe tief in die Tasche zu greifen. Dieser Trend führte direkt zu einem größeren durchschnittlichen Transaktionsvolumen und spiegelt das gestiegene Vertrauen in die langfristige wirtschaftliche Stabilität wider. Die Fokussierung auf Qualität statt Quantität zeigt, dass es im aktuellen Marktumfeld weniger um inkrementelles Wachstum geht, sondern vielmehr um disruptive Sprünge, die durch mutige und weitsichtige Übernahmen realisiert werden. Allein die Tatsache, dass vier Transaktionen die Schwelle von 50 Milliarden US-Dollar überschritten, illustriert die neue Dimension, in der führende Konzerne heute denken und handeln.

Die Treibenden Kräfte des Booms

Die Revolution der Künstlichen Intelligenz (KI) hat sich als der wohl mächtigste einzelne Katalysator für die jüngste Welle an M&A-Aktivitäten erwiesen. Unternehmen aller Sektoren erkennen die unumgängliche Notwendigkeit, durch strategische Zukäufe entscheidende KI-Kompetenzen zu erwerben, um ihre Wettbewerbsfähigkeit in einer zunehmend digitalisierten Welt zu sichern. Diese Dringlichkeit spiegelte sich in einigen der größten Transaktionen des Jahres wider, darunter die 40 Milliarden US-Dollar schwere Finanzierungsrunde von OpenAI und die ebenso große Übernahme von Aligned Data Centers. Führende Experten wie John Collins von Morgan Stanley betonen, dass die KI nicht nur den Technologiesektor transformiert, sondern die Arbeitsweise in nahezu allen Branchen fundamental verändern wird. Große, kapitalstarke Unternehmen können es sich leisten, massiv in diese Transformation zu investieren, und nutzen M&A als primäres Werkzeug, um Innovationen zu internalisieren und sich an die Spitze dieser technologischen Umwälzung zu setzen.

Ein weiterer entscheidender Faktor für den Boom war die Zunahme grenzüberschreitender Transaktionen, deren Wert um beeindruckende 46 % auf über 1,24 Billionen US-Dollar gestiegen ist und damit den höchsten Stand seit 2021 erreichte. Diese Internationalisierung des M&A-Marktes wurde von einer doppelten Dynamik angetrieben. Auf der einen Seite waren US-amerikanische Unternehmen die aktivsten Käufer und suchten aufgrund von anhaltenden Bewertungsunterschieden gezielt nach günstigeren Übernahmezielen im Ausland. Auf der anderen Seite investierten große multinationale Konzerne aus Europa und Japan massiv in den US-Markt, um sich auf dem größten und wachstumsstärksten globalen Markt zu positionieren. Laut Andrew Woeber von Barclays ist diese strategische Expansion in die USA für viele internationale Firmen unerlässlich, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben und am technologischen Fortschritt teilzuhaben.

Neben aggressiven Akquisitionen gewann auch die strategische Portfoliobereinigung zunehmend an Bedeutung. Immer mehr Konzerne überprüften ihre Strukturen und trennten sich gezielt von Geschäftsbereichen, die nicht mehr zum Kerngeschäft passten. Die Zahl dieser Verkäufe und Ausgliederungen, sogenannter Divestitures, stieg laut Schätzungen von Nestor Paz-Galindo von UBS um rund 30 %. Dieser Trend diente nicht nur der Fokussierung auf Kernkompetenzen, sondern auch der Optimierung der Unternehmensbewertung am Aktienmarkt, indem klarere und schlankere Unternehmensprofile geschaffen wurden. Ein Paradebeispiel für diese Entwicklung war die Ausgliederung des nordamerikanischen Geschäfts Amrize des Schweizer Zementherstellers Holcim, das bei seiner Gründung mit beeindruckenden 30 Milliarden US-Dollar bewertet wurde und die immense Wertschöpfung durch strategische Abspaltungen verdeutlichte.

Nach einer Phase der Zurückhaltung kehrten auch Private-Equity-Fonds mit voller Kraft auf den M&A-Markt zurück und untermauerten die positive Grundstimmung. Das Volumen der weltweiten Akquisitionstransaktionen durch diese Finanzinvestoren erreichte 1,1 Billionen US-Dollar, was einem massiven Anstieg von 51 % im Vergleich zum Vorjahr entsprach. Ihr kraftvolles Engagement signalisierte nicht nur die Verfügbarkeit von erheblichem Kapital, sondern trieb auch die Bewertungen und die Wettbewerbsintensität bei begehrten Übernahmezielen weiter in die Höhe. Die Rückkehr der Private-Equity-Fonds fungierte als wichtiger Vertrauensbeweis in die Stabilität des Marktes und ermutigte auch strategische Käufer, ihre eigenen M&A-Pläne entschlossener zu verfolgen. Ihre Fähigkeit, schnell und mit hohem Kapitaleinsatz zu agieren, hat die Dynamik des gesamten Marktes zusätzlich beschleunigt.

Günstige Rahmenbedingungen und der Blick nach Vorn

Dieser beispiellose M&A-Boom wurde durch zwei fundamentale Faktoren gestützt, die das notwendige Vertrauen in den Vorstandsetagen schufen: eine spürbar sinkende makroökonomische Unsicherheit weltweit und ein günstigeres regulatorisches Umfeld, insbesondere in den Vereinigten Staaten. Frank Aquila von der Anwaltskanzlei Sullivan & Cromwell identifizierte die als offener wahrgenommene Haltung der Trump-Administration gegenüber großen Fusionen als entscheidenden Impulsgeber. Diese veränderte politische Landschaft ermutigte viele Führungskräfte, mutige und strategisch weitreichende Entscheidungen zu treffen, die in einem restriktiveren Klima möglicherweise nicht verfolgt worden wären. Dieser stabile und innovationsfreundliche Rahmen schuf die notwendige Planungssicherheit für die Durchführung komplexer und transformativer Transaktionen, die den Markt im Jahr 2025 prägten.

Der Ausblick auf die unmittelbare Zukunft des M&A-Marktes fiel dementsprechend äußerst positiv aus, wobei führende Investmentbanker eine Fortsetzung des dynamischen Trends prognostizierten. Drago Rajkovic von Citi erwartete, dass das Transaktionsvolumen insbesondere in Nord- und Südamerika weiter steigen würde, und kündigte bereits mehrere geplante Deals im Wert von 50 bis 70 Milliarden US-Dollar für 2026 an. Er hielt sogar eine Transaktion im Technologiesektor von über 100 Milliarden US-Dollar für möglich. Eamon Brabazon von der Bank of America ging sogar noch einen Schritt weiter und äußerte die Vermutung, dass die Welt nicht nur vor einem weiteren Rekordjahr stand, sondern sich am Anfang eines starken, mehrjährigen M&A-Superzyklus befinden könnte, der alle bisherigen Zyklen deutlich übertreffen würde. Diese Einschätzungen deuteten auf ein tiefes und nachhaltiges Vertrauen in die transformativen Kräfte hin, die die globale Wirtschaft neu formten.

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