Zahl der Tierversuche sinkt drittes Jahr in Folge

Die jüngsten aus dem Jahr 2024 stammenden Erhebungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) belegen eine bemerkenswerte und positive Entwicklung in der deutschen Forschungslandschaft, denn die Zahl der für wissenschaftliche Zwecke eingesetzten Tiere ist das dritte Jahr in Folge signifikant zurückgegangen. Insgesamt wurden rund 129.000 Tiere weniger als im Vorjahr in Versuchen verwendet, was einen nachhaltigen Trend zur Reduzierung und zum Ersatz von Tierversuchen unterstreicht. Dieser Rückgang ist nicht auf einzelne Bereiche beschränkt, sondern erstreckt sich über fast alle Forschungs- und Anwendungsgebiete. Besonders ausgeprägt zeigt sich diese positive Tendenz bei Versuchen, die dem Umweltschutz, der Arterhaltung sowie der universitären Aus- und Weiterbildung dienen. Experten führen diese Entwicklung maßgeblich auf den fortschreitenden Einsatz und die verbesserte Verfügbarkeit von Alternativmethoden zurück, die zunehmend in der Lage sind, komplexe biologische Prozesse ohne den Einsatz lebender Tiere abzubilden und somit als valider Ersatz anerkannt werden.

Detaillierte Analyse der Versuchstierzahlen

Verteilung der Tierarten und der Rückgang überzähliger Tiere

Die statistische Aufschlüsselung der verwendeten Tierarten für das Jahr 2024 verdeutlicht eine klare Dominanz von Nagetieren, die mit einem Anteil von 78 Prozent die mit Abstand größte Gruppe darstellen. Innerhalb dieser Kategorie machen Mäuse mit 72 Prozent den Löwenanteil aus, gefolgt von Ratten mit sechs Prozent. Diese hohe Zahl ist auf ihre geringe Größe, die kurze Generationszeit und die gute genetische Modifizierbarkeit zurückzuführen, was sie für viele Forschungsfragen, insbesondere in der Genetik und der Immunologie, zu einem etablierten Modellorganismus macht. Fische, die vor allem in der toxikologischen und entwicklungsbiologischen Forschung eingesetzt werden, folgen mit einem Anteil von 13 Prozent. Kaninchen, die häufig für die Herstellung von Antikörpern und für Sicherheitsprüfungen verwendet werden, machen vier Prozent der Versuchstiere aus, während Vögel mit einem Prozent eine kleinere, aber für spezifische Studien, wie die Verhaltens- oder Infektionsforschung, wichtige Gruppe bilden. Diese Verteilung spiegelt die spezifischen Anforderungen der verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen wider.

Eine besonders hervorzuhebende Entwicklung in der jüngsten Statistik ist der drastische Rückgang bei den sogenannten überzähligen Tieren um 19 Prozent, was einer absoluten Zahl von rund 264.000 Tieren entspricht. Bei diesen Tieren handelt es sich um Individuen, die zwar für wissenschaftliche Zwecke gezüchtet, aber letztendlich nicht in einem Versuch eingesetzt und dennoch getötet wurden. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Oftmals besitzen die Tiere nicht die gewünschten genetischen Merkmale, haben das falsche Geschlecht für eine bestimmte Studie oder werden als Kontrollgruppe gezüchtet, die dann doch nicht benötigt wird. Ein derart signifikanter Rückgang in diesem Bereich deutet auf eine verbesserte Planung und ein effizienteres Management in den Zuchteinrichtungen hin. Dieser Fortschritt ist nicht nur aus ethischer Sicht von großer Bedeutung, da das Leid von Tieren, die ohne direkten wissenschaftlichen Nutzen getötet werden, vermieden wird, sondern er führt auch zu einer erheblichen Einsparung von Ressourcen und unterstreicht das wachsende Engagement der Forschungsgemeinschaft für das 3R-Prinzip (Replace, Reduce, Refine).

Schwerpunkte in Forschung und Entwicklung

Der Hauptanwendungsbereich für Tierversuche im Jahr 2024 war mit einem Anteil von 57 Prozent weiterhin die Grundlagenforschung, die das Fundament für das Verständnis von Lebensprozessen und Krankheitsmechanismen legt. Innerhalb dieses Sektors dominieren zwei zentrale Disziplinen: die Erforschung des Immunsystems, auf die 22 Prozent der Tiere entfielen, und die Neurowissenschaften mit 20 Prozent. Die hohe Zahl an Versuchstieren in der Immunologie erklärt sich durch die immense Komplexität des Immunsystems, dessen Interaktionen zwischen verschiedenen Zelltypen und Organen sich bisher nur unzureichend in alternativen Modellen wie Zellkulturen abbilden lassen. Ähnliches gilt für die Neurowissenschaften, wo die Untersuchung von kognitiven Prozessen, neuronalen Netzwerken und degenerativen Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson oft auf intakte Organismen angewiesen ist. Diese Forschung ist zwar erkenntnisorientiert und nicht unmittelbar auf eine Anwendung ausgerichtet, liefert jedoch die unverzichtbaren Grundlagen für zukünftige medizinische Durchbrüche und Therapien.

Neben der Grundlagenforschung entfielen 15 Prozent der Versuchstiere auf die anwendungsorientierte Forschung, deren primäres Ziel die Entwicklung und Erprobung neuer Behandlungsmethoden für menschliche und tierische Krankheiten ist. In diesem Feld lag der eindeutige Schwerpunkt mit 43 Prozent auf der Krebsforschung, was die Dringlichkeit und den hohen Forschungsbedarf in diesem Bereich widerspiegelt. Hier werden Tiermodelle genutzt, um die Wirksamkeit neuer Medikamente zu testen, Tumorwachstum zu studieren und innovative Therapieansätze zu validieren. Weitere 17 Prozent der Tiere wurden für regulatorisch vorgeschriebene Zwecke eingesetzt. Dazu gehören gesetzlich geforderte Sicherheits- und Qualitätsprüfungen von medizinischen Produkten wie Arzneimitteln oder Impfstoffen, bevor diese eine Marktzulassung erhalten. Diese Tests dienen dem direkten Schutz der Verbraucher und Patienten und unterliegen strengen internationalen Richtlinien, die den Einsatz von Tieren in vielen Fällen noch vorschreiben, obwohl auch hier die Suche nach Alternativen intensiviert wird.

Rechtlicher Rahmen und ethische Einordnung

Belastungsgrade und gesetzliche Vorgaben

Ein zentraler Aspekt bei der ethischen Bewertung von Tierversuchen ist der Grad der Belastung, dem die Tiere während eines Experiments ausgesetzt sind. Die aktuelle Statistik für 2024 zeigt, dass eine deutliche Mehrheit der Versuche, nämlich 63 Prozent, in die Kategorie „gering“ eingestuft wurde. Darunter fallen beispielsweise Blutentnahmen unter Narkose oder kurze Verhaltensstudien in einer nur geringfügig veränderten Umgebung. Versuche mit einer „mittleren“ Belastung machten 28,4 Prozent aus. Dies können chirurgische Eingriffe unter Vollnarkose sein, von denen sich die Tiere vollständig erholen, oder die Verabreichung von Substanzen, die zu moderaten, aber kurzzeitigen Beeinträchtigungen des Wohlbefindens führen. Der Anteil an Versuchen mit dem Schweregrad „schwer“ lag bei lediglich 3,6 Prozent. Solche Versuche sind mit erheblichem Leid verbunden und werden nur genehmigt, wenn sie für die Erforschung schwerwiegender Krankheiten des Menschen unerlässlich sind. Im Vergleich zu anderen EU-Staaten weist Deutschland hier eine sehr niedrige Quote auf, was auf die strengen Kontrollen und die hohe ethische Sensibilität hindeutet.

Die Durchführung von Tierversuchen in Deutschland ist durch eines der weltweit strengsten Tierschutzgesetze reguliert. Jeder einzelne Versuch muss von den zuständigen Landesbehörden genehmigt werden, bevor er beginnen darf. Im Rahmen dieses Genehmigungsverfahrens muss der Antragsteller detailliert darlegen, warum der Versuch unerlässlich ist und welche wissenschaftlichen Erkenntnisse erwartet werden. Ein entscheidender Bestandteil der Prüfung ist die sogenannte Unerlässlichkeitsprüfung, bei der eine eigens dafür eingesetzte Kommission, der auch Tierschutzexperten angehören, sorgfältig prüft, ob das Forschungsziel nicht durch den Einsatz von verfügbaren Alternativmethoden erreicht werden kann. Nur wenn nachgewiesen wird, dass keine tierversuchsfreie Methode existiert und der erwartete wissenschaftliche oder medizinische Nutzen die Belastung für die Tiere ethisch rechtfertigt, kann eine Genehmigung erteilt werden. Dieses strenge, mehrstufige Verfahren stellt sicher, dass Tierversuche nur als letztes Mittel (ultima ratio) durchgeführt werden und das Tierwohl dabei stets im Fokus steht.

Ausblick und die Rolle von Alternativmethoden

Der im Jahr 2024 verzeichnete Rückgang der Versuchstierzahlen war ein klares Indiz für einen tiefgreifenden Wandel, der sich in der wissenschaftlichen Gemeinschaft vollzog. Diese positive Entwicklung spiegelte nicht nur eine Reaktion auf den gesellschaftlichen und politischen Druck wider, sondern basierte maßgeblich auf den Fortschritten in der Entwicklung und Validierung von tierversuchsfreien Methoden. Die zunehmende Reife von Technologien wie Organ-on-a-Chip-Systemen, komplexen 3D-Zellkulturen oder hochleistungsfähigen Computersimulationen ermöglichte es Forschern, biologische Prozesse präziser und oft relevanter für den Menschen zu untersuchen. Diese Verschiebung wurde durch eine konsequente Umsetzung des 3R-Prinzips (Replace, Reduce, Refine) in den Forschungseinrichtungen untermauert, was zu einer verbesserten Versuchsplanung und einem verantwortungsvolleren Umgang mit den Tieren führte. Die Daten aus dem Jahr 2024 markierten somit einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu einer Forschung, die sowohl ethisch fortschrittlicher als auch wissenschaftlich innovativer war und die Grundlage für zukünftige Reduktionen legte.

Abonnieren Sie unseren wöchentlichen Nachrichtenüberblick.

Treten Sie jetzt bei und werden Sie Teil unserer schnell wachsenden Gemeinschaft.

Ungültige E-Mail-Adresse
Thanks for Subscribing!
We'll be sending you our best soon!
Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es später noch einmal