Warum Manche Onlinehändler Stationär Erfolgreich Sind

Warum Manche Onlinehändler Stationär Erfolgreich Sind

In einer Zeit, in der das Internet den Handel grundlegend verändert hat, entscheiden sich zahlreiche Onlinehändler dafür, ihre Präsenz in die reale Welt auszudehnen und Filialen in Fußgängerzonen zu eröffnen, um ihre Kundschaft nicht nur digital, sondern auch vor Ort zu erreichen. Unternehmen wie Mister Spex oder Coolblue wagen diesen Schritt, um ihre Marktposition zu stärken. Doch während einige dieser Händler im stationären Geschäft florieren, scheitern andere kläglich und müssen ihre Läden wieder schließen, wie das Beispiel von Mymüsli zeigt. Welche Faktoren entscheiden über den Erfolg oder Misserfolg solcher Hybridmodelle, die Online- und Offline-Welten verbinden? Die Antwort liegt in einer Mischung aus wirtschaftlichen Herausforderungen, strategischen Entscheidungen und der Fähigkeit, die Bedürfnisse der Kunden gezielt zu erfüllen. Dieser Artikel beleuchtet die Hintergründe dieser Entwicklung und analysiert, warum manche digital geprägten Unternehmen den Sprung in den stationären Handel meistern, während andere an den hohen Anforderungen scheitern.

Finanzielle Hürden im Stationären Handel

Die Expansion in den stationären Handel stellt für viele Onlinehändler eine enorme finanzielle Belastung dar. Hohe Mietkosten, Ausgaben für Personal und die Einrichtung der Filialen zehren an den Budgets, während der Umsatz oft nicht sofort die erhofften Erträge bringt. Tobias Krauss, Vorstandschef von Mister Spex, betont, dass es mehrere Jahre – zwischen drei und sieben – dauern kann, bis eine Filiale wirtschaftlich tragfähig wird. Hinzu kommt, dass Unternehmen aus dem E-Commerce häufig mit geringeren Gewinnmargen arbeiten und unter dem Druck stehen, schnelles Wachstum zu zeigen. Diese Erwartungshaltung kollidiert mit den langfristigen Investitionen, die der stationäre Handel erfordert. Für viele Händler ist es eine Herausforderung, diese finanzielle Geduld aufzubringen, insbesondere wenn die Filialen nicht sofort profitabel sind. Die Spannung zwischen kurzfristigen Erwartungen und langfristiger Planung wird somit zu einem entscheidenden Prüfstein für den Erfolg.

Ein Blick auf konkrete Beispiele verdeutlicht die Problematik. Mymüsli, ein Anbieter von individualisierbaren Lebensmitteln, musste trotz anfänglicher Begeisterung für die Expansion die meisten seiner Filialen wieder schließen, da die Rentabilität ausblieb. Die hohen Fixkosten im stationären Handel stehen im krassen Gegensatz zu den oft flexiblen und skalierbaren Strukturen des Onlinegeschäfts. Während digitale Plattformen es ermöglichen, mit geringen Betriebskosten zu arbeiten, erfordert der Betrieb physischer Läden eine andere Art von finanzieller Disziplin. Viele Unternehmen unterschätzen diese Unterschiede und geraten in Schwierigkeiten, wenn die Einnahmen die Ausgaben nicht decken. Der Fall von Mymüsli zeigt, dass ohne eine solide finanzielle Basis und realistische Erwartungen der Schritt in die reale Welt schnell zu einem Rückschlag führen kann.

Kundenbindung durch Physische Präsenz

Ein zentraler Antrieb für den Eintritt in den stationären Handel ist die Möglichkeit, die Beziehung zur Kundschaft zu vertiefen. Unternehmen wie Westwing oder Coolblue setzen auf physische Geschäfte, um bestehende Kunden enger an die Marke zu binden, anstatt primär neue Käufer zu gewinnen. Stefan Hoerning von Westwing hebt hervor, dass der Fokus auf persönlicher Beratung und einem greifbaren Einkaufserlebnis liegt, um Vertrauen und Loyalität zu fördern. In einer Welt, in der Onlinekäufe oft unpersönlich wirken, kann der direkte Kontakt in einer Filiale einen entscheidenden Unterschied machen. Kunden schätzen es, Produkte live zu erleben und Fragen direkt mit Fachpersonal zu klären. Diese emotionale Bindung, die durch den stationären Handel entsteht, ist für viele Händler ein strategisches Ziel, das über den reinen Umsatz hinausgeht und langfristig zur Stärkung der Marke beiträgt.

Interessant ist auch der synergetische Effekt zwischen den Kanälen, den Unternehmen wie Coolblue beobachten. Pieter Zwart, Geschäftsführer des Unternehmens, stellt fest, dass in Regionen mit neu eröffneten Filialen die Online-Verkäufe unmittelbar nach der Eröffnung steigen. Dies deutet darauf hin, dass die physische Präsenz nicht nur vor Ort Kunden anspricht, sondern auch das digitale Geschäft ankurbelt. Die Filialen fungieren als eine Art Schaufenster, das Vertrauen schafft und die Marke greifbar macht, was sich positiv auf alle Vertriebswege auswirkt. Für viele Onlinehändler wird der stationäre Handel somit zu einem Werkzeug, um die Kundenbasis zu festigen und gleichzeitig die Sichtbarkeit zu erhöhen. Diese Wechselwirkung zeigt, dass der Erfolg nicht allein von den Umsätzen in den Filialen abhängt, sondern von einem ganzheitlichen Ansatz, der beide Welten verbindet.

Bedeutung der Produktkategorie

Ein weiterer entscheidender Faktor für den Erfolg im stationären Handel ist die Art der angebotenen Produkte. Waren, die eine persönliche Beratung oder ein haptisches Erlebnis erfordern, profitieren besonders von einer physischen Präsenz. Bei Mister Spex beispielsweise können Kunden Brillen direkt vor Ort anprobieren und Sehtests durchführen lassen, was den Einkauf erleichtert und Vertrauen schafft. Ähnlich verhält es sich bei Westwing, wo Möbel und Einrichtungsgegenstände oft eine wiederholte Begutachtung erfordern, bevor eine Kaufentscheidung getroffen wird. Kunden möchten die Qualität fühlen und das Produkt in einem realen Kontext sehen. Diese direkte Interaktion ist ein klarer Vorteil gegenüber dem reinen Onlinekauf und macht den stationären Handel für bestimmte Branchen besonders attraktiv. Die Möglichkeit, vor Ort einen Mehrwert zu bieten, wird somit zu einem Schlüsselfaktor für den Erfolg.

Im Gegensatz dazu stehen Produkte, die keinen zusätzlichen Nutzen durch eine Filiale bieten. Mymüsli ist ein Beispiel für ein Unternehmen, dessen standardisierte Produkte wie individualisierbare Müslis keinen zwingenden Grund für einen Besuch vor Ort liefern. Der Onlinekauf ist hier oft bequemer und schneller, wodurch physische Geschäfte an Relevanz verlieren. Kunden sehen keinen Vorteil darin, ein Geschäft aufzusuchen, wenn das Produkt ohnehin standardisiert ist und keine Beratung erfordert. Dies verdeutlicht, dass die Entscheidung für eine Expansion in den stationären Handel stark von der Produktkategorie abhängt. Während einige Waren durch die physische Präsenz aufgewertet werden, bleibt bei anderen der digitale Kanal die bevorzugte Wahl. Unternehmen müssen daher genau prüfen, ob ihre Produkte von einer Filiale profitieren, bevor sie diesen kostspieligen Schritt wagen.

Markttrends und Externe Einflüsse

Die Entwicklung hin zu einer Kombination aus Online- und Offline-Angeboten zeigt sich in aktuellen Marktstudien. Eine Untersuchung des EHI Retail Instituts ergab, dass mehr als die Hälfte der umsatzstärksten Onlineshops in Deutschland bereits stationäre Kontaktpunkte anbieten. Dennoch wird von Experten wie Lars Hofacker betont, dass es keinen einheitlichen Trend zur flächendeckenden Filialisierung gibt. Vielmehr handelt es sich um individuelle Konzepte, die je nach Branche und Unternehmensstrategie unterschiedlich erfolgreich sind. Für manche Händler dienen Filialen als Ergänzung zum Onlinegeschäft, um die Marke zu stärken, während andere auf direkte Umsätze vor Ort setzen. Diese Vielfalt an Ansätzen zeigt, dass es keine universelle Lösung gibt, sondern dass jedes Unternehmen seinen eigenen Weg finden muss. Der stationäre Handel wird somit zu einem Experimentierfeld, in dem innovative Ideen und Anpassungsfähigkeit gefragt sind.

Ein weiterer Aspekt, der den Erfolg maßgeblich beeinflusst, sind externe Ereignisse und Marktveränderungen. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie verletzlich der stationäre Handel sein kann. Unternehmen wie Mymüsli litten unter massiven Umsatzeinbußen während der Lockdowns, was zur Schließung zahlreicher Filialen führte. Im Gegensatz dazu konnte Mister Spex als systemrelevantes Unternehmen früher wieder öffnen und so den Schaden begrenzen. Diese Beispiele verdeutlichen, dass Flexibilität und die Fähigkeit, auf unvorhergesehene Krisen zu reagieren, entscheidend sind. Der stationäre Handel erfordert nicht nur eine solide finanzielle Basis, sondern auch ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit, um auf äußere Umstände reagieren zu können. Unternehmen, die diese Herausforderungen meistern, haben bessere Chancen, langfristig erfolgreich zu sein.

Langfristige Perspektiven und Strategische Weichenstellung

Abschließend lässt sich feststellen, dass der Erfolg von Onlinehändlern im stationären Handel von einer Vielzahl an Faktoren abhängt, die individuell aufeinander abgestimmt sein müssen. Die finanziellen Herausforderungen, die Bedeutung der Kundenbindung, die Relevanz der Produktkategorie und die Anpassung an Markttrends spielten in der Vergangenheit eine zentrale Rolle. Unternehmen wie Mister Spex oder Coolblue konnten durch gezielte Strategien und produktspezifische Vorteile ihre Filialen erfolgreich etablieren, während andere wie Mymüsli an den hohen Kosten und externen Schocks scheiterten. Diese Erfahrungen bieten wertvolle Lehren für die Zukunft.

Für die kommenden Jahre bleibt es entscheidend, dass Händler eine klare Balance zwischen digitalen und physischen Kanälen finden. Eine langfristige Planung, die nicht nur auf kurzfristige Gewinne abzielt, sondern auf nachhaltige Kundenbindung und Markenstärkung, könnte der Schlüssel sein. Zudem sollten Unternehmen ihre Strategien regelmäßig an sich verändernde Marktbedingungen anpassen und Flexibilität in ihre Modelle integrieren. Nur so können sie sicherstellen, dass der Schritt in den stationären Handel nicht zu einem Risiko wird, sondern zu einer Chance, die beide Welten sinnvoll verbindet.

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