Wie Versorgen Wir Ältere Patienten in der Rheumatologie?

Die Versorgung älterer Patienten in der Rheumatologie steht vor großen Herausforderungen, die durch den demografischen Wandel immer dringlicher werden, denn die Zahl der Menschen über 65 Jahre wächst stetig, während die jüngeren Altersgruppen schrumpfen, und dies erfordert innovative Ansätze. Auf dem Deutschen Rheumatologiekongress (DGRh) wurden praxisnahe Konzepte vorgestellt, um den komplexen Bedürfnissen dieser Patientengruppe gerecht zu werden. Besonders die Themen Multimorbidität, Polypharmazie und geriatrische Syndrome stehen dabei im Mittelpunkt, da viele Betroffene nicht nur an rheumatischen Erkrankungen leiden, sondern auch an weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Dieser Artikel beleuchtet die wichtigsten Strategien und Trends, die in diesem Zusammenhang diskutiert wurden, und zeigt auf, wie die medizinische Betreuung angepasst werden kann, um die Lebensqualität älterer Menschen nachhaltig zu sichern. Die demografische Entwicklung bis 2050 verdeutlicht die Dringlichkeit, innovative Konzepte zu entwickeln, die über die reine Krankheitsbehandlung hinausgehen und ganzheitliche Lösungen bieten.

Herausforderungen durch Multimorbidität und Alterssyndrome

Die Behandlung rheumatischer Erkrankungen bei älteren Patienten erfordert weit mehr als die Fokussierung auf die Grunderkrankung, denn Multimorbidität prägt den Alltag vieler Betroffener. Häufig treten neben Erkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis oder dem systemischen Lupus erythematodes weitere gesundheitliche Probleme wie Diabetes, Osteoporose oder kardiovaskuläre Erkrankungen auf. Diese Vielfalt an Diagnosen erschwert die Therapieplanung erheblich und verlangt ein umfassendes Verständnis der Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Beschwerden. Geriatrische Syndrome wie chronische Schmerzen, Mobilitätseinschränkungen und Depressionen verstärken die Komplexität zusätzlich. Studien belegen, dass bis zu 90 Prozent der betroffenen Patienten unter Schmerzen leiden und über 40 Prozent in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt sind. Eine gezielte Berücksichtigung dieser Aspekte ist unerlässlich, um die Funktionalität und Selbstständigkeit der Patienten zu erhalten.

Neben den physischen Einschränkungen spielen auch psychische und soziale Faktoren eine entscheidende Rolle in der Versorgung älterer Menschen mit rheumatischen Erkrankungen. Depressionen betreffen mehr als die Hälfte der Patienten und wirken sich direkt auf die Lebensqualität sowie die Fähigkeit zur Selbstfürsorge aus. Mobilitätseinschränkungen und chronische Schmerzen führen oft zu sozialer Isolation, was wiederum die psychische Gesundheit belastet. Es zeigt sich, dass die Behandlung nicht allein auf medizinischen Interventionen basieren darf, sondern auch psychosoziale Unterstützung einbeziehen muss. Instrumente wie der Health Assessment Questionnaire (HAQ) verdeutlichen, wie stark die Funktionalität durch diese Faktoren beeinträchtigt ist. Daher müssen Therapieansätze individuell angepasst werden, um nicht nur die körperlichen, sondern auch die emotionalen Bedürfnisse der Patienten zu berücksichtigen und so eine ganzheitliche Betreuung zu gewährleisten.

Risiken wie Demenz und Muskelschwund

Ein bedeutender Aspekt in der Betreuung älterer Patienten ist das erhöhte Risiko für kognitive Beeinträchtigungen, insbesondere bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Besonders bei Patienten mit systemischem Lupus erythematodes wird ein um 46 Prozent höheres Risiko für Demenz beobachtet, aber auch bei rheumatoider Arthritis oder Psoriasis sind signifikante Zusammenhänge erkennbar. Die kognitive Gesundheit ist essenziell für das Selbstmanagement, beispielsweise bei der regelmäßigen Einnahme von Medikamenten oder der Einhaltung von Therapieplänen. Screening-Tools wie der Mini-Cog bieten eine einfache Möglichkeit, Defizite frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Eine rechtzeitige Diagnose ermöglicht es, unterstützende Strategien zu entwickeln, die die Selbstständigkeit der Betroffenen so lange wie möglich erhalten und Angehörige sowie Pflegekräfte entlasten.

Ein weiteres unterschätztes Risiko ist die Sarkopenie, also der Verlust von Muskelmasse und -kraft im Alter, der bei etwa 30 Prozent der Patienten mit rheumatoider Arthritis auftritt. Dieser Zustand erhöht die Gefahr von Stürzen und Gebrechlichkeit erheblich, was die Lebensqualität stark beeinträchtigt. Diagnostische Instrumente wie der SARC-F-Fragebogen oder Tests zur Muskelfunktion helfen, Sarkopenie frühzeitig zu identifizieren. Eine effektive Kontrolle der Krankheitsaktivität, etwa durch den Einsatz konventioneller Medikamente, kann das Risiko um bis zu 30 Prozent senken. Dies unterstreicht die Bedeutung einer gezielten Therapie, die nicht nur auf die rheumatische Erkrankung abzielt, sondern auch präventive Maßnahmen zur Stärkung der Muskulatur und zur Verbesserung der Stabilität integriert, um langfristig die Mobilität der Patienten zu sichern.

Probleme durch Polypharmazie und Medikamentenmanagement

Die Polypharmazie stellt eine der größten Herausforderungen in der Betreuung geriatrischer Patienten mit rheumatischen Erkrankungen dar, da bis zu 81 Prozent dieser Gruppe mehrere Medikamente gleichzeitig einnehmen. Dies führt häufig zu Wechselwirkungen, ungeeigneten Dosierungen und unerwünschten Nebenwirkungen, die die Gesundheit der Betroffenen gefährden können. Zudem erschweren widersprüchliche Leitlinien die Therapieplanung, da Empfehlungen für verschiedene Erkrankungen oft nicht aufeinander abgestimmt sind. Um diese Risiken zu minimieren, sind systematische Überprüfungen der Medikation sowie ein strukturiertes Vorgehen beim Reduzieren unnötiger Arzneimittel von großer Bedeutung. Solche Maßnahmen tragen dazu bei, die Sicherheit der Behandlung zu erhöhen und die Belastung für die Patienten zu verringern.

Die Zusammenarbeit mit klinischen Pharmakologen wird in diesem Kontext als unverzichtbar angesehen, um die Komplexität der medikamentösen Therapie zu bewältigen. Durch regelmäßige Medikamentenüberprüfungen können potenziell schädliche Kombinationen erkannt und angepasst werden, bevor sie zu ernsthaften Problemen führen. Ebenso wichtig ist die Aufklärung der Patienten über die korrekte Einnahme und mögliche Nebenwirkungen, da dies die Therapietreue fördert. Ein interdisziplinärer Ansatz, der Ärzte verschiedener Fachrichtungen einbezieht, hilft, die medikamentöse Versorgung zu optimieren und widersprüchliche Behandlungsempfehlungen zu vermeiden. Nur so lässt sich gewährleisten, dass die Therapie nicht nur wirksam, sondern auch sicher ist und die individuellen Bedürfnisse der älteren Patienten berücksichtigt werden.

Ganzheitliche Konzepte und Interdisziplinarität

Um den vielschichtigen Anforderungen älterer Patienten gerecht zu werden, reichen krankheitsspezifische Ansätze allein nicht aus, weshalb ganzheitliche Konzepte zunehmend an Bedeutung gewinnen. Das 5M-Konzept bietet hierbei eine wertvolle Struktur, indem es fünf zentrale Bereiche abdeckt: kognitive und psychische Gesundheit, Beweglichkeit und Sturzrisiko, Medikamentenmanagement, Multimorbidität sowie individuelle Prioritäten der Patienten. Diese Orientierung ermöglicht es, die Versorgung systematisch zu gestalten und die Therapieziele an den persönlichen Bedürfnissen der Betroffenen auszurichten. Ein solcher Ansatz berücksichtigt nicht nur medizinische Aspekte, sondern auch psychosoziale Faktoren, die für die Lebensqualität eine entscheidende Rolle spielen, und fördert so eine umfassende Betreuung.

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachrichtungen wird ebenfalls als unverzichtbar hervorgehoben, um die komplexen Herausforderungen zu meistern. Teams aus Rheumatologen, Geriatriern, Physiotherapeuten und psychosozialen Betreuern können gemeinsam maßgeschneiderte Lösungen entwickeln, die sowohl präventive als auch therapeutische Maßnahmen umfassen. Frühzeitige Risikoerkennung und gezielte Interventionen tragen dazu bei, die Selbstständigkeit der Patienten zu erhalten und ihre Lebensqualität zu verbessern. Diese kooperative Herangehensweise ermöglicht eine bessere Abstimmung der verschiedenen Behandlungsaspekte und stellt sicher, dass alle relevanten Faktoren in die Versorgung einfließen. Nur durch einen solchen gemeinschaftlichen Ansatz kann die Betreuung älterer Menschen mit rheumatischen Erkrankungen langfristig erfolgreich gestaltet werden.

Blick auf zukünftige Lösungen

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Diskussionen auf dem Deutschen Rheumatologiekongress deutlich machten, wie dringend strukturierte und ganzheitliche Ansätze in der Versorgung geriatrischer Patienten benötigt werden. Die Kombination aus Multimorbidität, Polypharmazie und geriatrischen Syndromen erfordert innovative Strategien, die über traditionelle Methoden hinausgehen. Das vorgestellte 5M-Konzept liefert eine klare Orientierung, um die verschiedenen Bedürfnisse systematisch zu erfassen. Für die Zukunft bleibt es entscheidend, interdisziplinäre Teams weiter zu stärken und präventive Maßnahmen auszubauen, um Risiken frühzeitig zu minimieren. Ebenso sollten digitale Werkzeuge und Telemedizin verstärkt genutzt werden, um die Betreuung auch in ländlichen Gebieten sicherzustellen und Patienten besser zu erreichen. Solche Entwicklungen versprechen, die Versorgung nachhaltig zu verbessern und den individuellen Herausforderungen älterer Menschen gerecht zu werden.

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