Die Science Omas erobern jetzt die Klassenzimmer

Ein außergewöhnliches Bildungsprojekt, das vom Institute of Science and Technology (ISTA) in Österreich initiiert wurde, beweist eindrucksvoll, dass die Begeisterung für Wissenschaft keine Altersgrenzen kennt und schafft eine Brücke zwischen den Generationen. Im Mittelpunkt stehen die sogenannten „Science Omas“, Frauen über 60 Jahre, die ihre Faszination für Forschung direkt in die Klassenzimmer von Volksschulen tragen, um bei Kindern auf spielerische und interaktive Weise die Neugier für naturwissenschaftliche Phänomene zu wecken. Der Kern dieses Konzepts ist ein generationsübergreifender Ansatz, der nicht nur Wissen vermittelt, sondern auch gesellschaftliche Rollenbilder hinterfragt und den Dialog zwischen Jung und Alt fördert. Nach einer äußerst erfolgreichen Pilotphase hat sich die Initiative nun durch die Gründung eines eigenen Vereins neu aufgestellt und steht vor einer potenziellen nationalen sowie internationalen Expansion, was ihr bemerkenswertes Potenzial als zukunftsweisendes Erfolgsmodell unterstreicht und neue Wege in der Wissenschaftsvermittlung aufzeigt.

Die Gesichter hinter der Wissenschaftsvermittlung

Die treibende Kraft des Projekts sind acht Frauen, die allesamt die Altersgrenze von 60 Jahren überschritten haben und sich in einem aktiven „Unruhestand“ befinden, anstatt sich zur Ruhe zu setzen. Ihre beruflichen Hintergründe könnten unterschiedlicher nicht sein; sie reichen von Tätigkeiten wie der Buchhaltung im öffentlichen Dienst bis hin zu anderen, nicht-naturwissenschaftlichen Professionen. Was diese Frauen jedoch unverkennbar eint, ist eine tief verwurzelte Faszination für die Welt der Forschung und der unbedingte Wille zu verstehen, wie die Welt in ihren fundamentalsten Zusammenhängen funktioniert. Ihre Neugier ist breit gefächert und erstreckt sich von den grundlegenden Bausteinen des Lebens bis hin zu den komplexen und oft kontraintuitiven Gesetzen der Quantenphysik. Sie sind keine ausgebildeten Wissenschaftlerinnen, sondern Laiinnen im besten Sinne des Wortes, deren ansteckende Begeisterung und authentische Herangehensweise den Schlüssel zu ihrem Erfolg bei der jungen Zielgruppe darstellt und Wissenschaft greifbar und zugänglich macht.

Ein zentraler Aspekt des Projekts ist die geringfügige Anstellung der Frauen am ISTA in Klosterneuburg, Niederösterreich, denn diese erfüllt eine bedeutende soziale Komponente. Wie die Projektleiterin und Bildungswissenschaftlerin Laura Sartori hervorhebt, zielt die Initiative nicht nur darauf ab, die Generationen miteinander zu verbinden, sondern auch darauf, eine gesellschaftliche Gruppe gezielt einzubinden und wertzuschätzen, die allzu oft übersehen wird: Frauen über 60. Statistisch gesehen werden Frauen häufiger und früher aus dem Arbeitsmarkt gedrängt als Männer und verfügen in der Pension nicht selten über ein deutlich geringeres Einkommen. Die Bezahlung für ihre Tätigkeit als „Science Omas“ ist daher weit mehr als nur ein Honorar; sie ist eine bewusste Anerkennung ihres wertvollen Bildungsauftrags und leistet einen wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen und finanziellen Stärkung dieser Frauengruppe. Das Projekt schafft somit eine sinnstiftende, anerkannte und bezahlte Tätigkeit in der nachberuflichen Lebensphase und fördert die aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Ein Interaktiver Ansatz zur Wissensförderung

Der pädagogische Ansatz von „Frag die Science Oma!“ distanziert sich bewusst von traditionellen Lehrmethoden wie dem Frontalunterricht oder dem reinen Auswendiglernen von Fakten. Im Mittelpunkt steht stattdessen das gemeinsame, praktische und interaktive Experimentieren. Jung und Alt sollen Wissenschaft nicht als statisches Faktenwissen, sondern als einen dynamischen und spannenden Prozess des Entdeckens, des Ausprobierens und des gemeinsamen Verstehens erleben. Indem die Kinder selbst Hand anlegen und Versuche durchführen, erfahren sie wissenschaftliche Phänomene unmittelbar und mit allen Sinnen. Ein besonders beliebtes Beispiel, das den Enthusiasmus der jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer verdeutlicht, ist das Züchten von funkelnden Kristallen in verschiedenen Farben. Diese können kurz vor Weihnachten sogar als einzigartiger Christbaumschmuck verwendet werden, was den praktischen Nutzen und die kreative Komponente der Wissenschaft unterstreicht. Dieser praxisorientierte Zugang fördert nicht nur die Neugier und die Begeisterung, sondern vermittelt auch ein tiefes und nachhaltiges Verständnis für die wissenschaftliche Methode.

Über das reine Experimentieren hinaus verfolgt das Projekt ein übergeordnetes Lernziel, das in der heutigen Informationsgesellschaft von entscheidender Bedeutung ist. Es geht darum, den Kindern zu vermitteln, warum Wissen, das im Kontext von Forschung und nachprüfbaren Methoden entsteht, eine höhere Legitimität und Verlässlichkeit besitzt als eine unbegründete Meinung, die jemand zufällig äußert. In einer Welt, die zunehmend von subjektiven Ansichten und Falschinformationen geprägt ist, leistet das Projekt somit einen wichtigen Beitrag zur Förderung von Wissenschaftsverständnis und kritischem Denken. Die Kinder lernen, Fragen zu stellen, Hypothesen zu überprüfen und Ergebnisse zu interpretieren. Sie erfahren, dass wissenschaftliche Erkenntnisse das Ergebnis eines sorgfältigen und transparenten Prozesses sind. Damit werden sie nicht nur für die Naturwissenschaften begeistert, sondern auch dazu befähigt, Informationen kritisch zu bewerten und fundierte Entscheidungen zu treffen, eine Schlüsselkompetenz für mündige Bürgerinnen und Bürger.

Strukturelles Wachstum und Zukünftige Visionen

Um die „Science Omas“ optimal auf ihre verantwortungsvolle Aufgabe in den Klassenzimmern vorzubereiten, durchlaufen sie eine speziell konzipierte Schulung. Diese wird von jungen Wissenschaftlerinnen des Grundlagenforschungsinstituts ISTA entwickelt und durchgeführt, was einen direkten Wissenstransfer von der aktuellen Forschung in die Praxis gewährleistet. Eine wissenschaftliche oder pädagogische Vorbildung wird dabei nicht vorausgesetzt. Vielmehr gelten eine ausgeprägte Neugier und der Mut zum Experimentieren, insbesondere im Umgang mit Kindern, als die wichtigsten Qualifikationen. Veronika Peball, eine der ersten „Science Omas“, berichtet, dass die Ausbildung im Februar begann und jedes Experiment detailliert erklärt und anschließend praktisch erprobt wurde. Obwohl die wissenschaftlichen Fachausdrücke mitunter eine Herausforderung darstellen, finden die Frauen pragmatische und kreative Lösungen, um die Inhalte verständlich zu vermitteln. Ein entscheidender Teil der Schulung ist zudem der Umgang mit unerwarteten Ergebnissen, denn es wird vermittelt, dass nicht jedes Experiment auf Anhieb gelingt – eine Realität, die den Alltag in echten Forschungslaboren widerspiegelt.

Die institutionelle Entwicklung des Projekts zeugt von strategischer Weitsicht und dem klaren Willen, Nachhaltigkeit und Wachstum zu sichern. Die einjährige Pilotphase konnte durch finanzielle Mittel aus dem österreichischen Fonds „Let’s empower Austria“ (LEA) realisiert werden. Diese Förderung ermöglichte es dem ISTA, den acht Frauen eine geringfügige Anstellung zu bieten und das innovative Konzept umfassend in der Praxis zu erproben. Als jedoch das Auslaufen dieser wichtigen Anschubfinanzierung zum Jahreswechsel absehbar wurde, standen die Projektverantwortlichen und die engagierten „Science Omas“ vor einer entscheidenden Weggabelung. Anstatt das erfolgreiche Projekt zu beenden, entschieden sie sich für einen mutigen und proaktiven Schritt nach vorn. In einem gemeinsamen Kraftakt schlossen sie sich zusammen, erarbeiteten Vereinsstatuten und gründeten den eigenständigen Verein „Frag die Science Oma!“. Diese neue Rechtsform bietet entscheidende Vorteile, da sie dem Projekt ermöglicht, unabhängig vom ISTA zu agieren und Kooperationen mit einer Vielzahl anderer Forschungseinrichtungen und Partnern einzugehen.

Ein Erfolgsmodell mit Internationalem Potenzial

Mit der Gründung des Vereins wurden ehrgeizige Pläne für die Zukunft geschmiedet. Im Fokus der ersten Jahreshälfte 2026 stehen der strukturelle Aufbau der Organisation sowie die aktive Sicherung von Finanzierungen und Förderungen. Das erklärte Ziel ist es, die Workshops für Bildungseinrichtungen wie Schulen und Horte, aber potenziell auch für Seniorenheime, je nach Bedarf kostenfrei anbieten zu können. Gleichzeitig soll das bewährte Modell beibehalten werden, dass die „Science Omas“ für ihre wertvolle und gesellschaftlich relevante Arbeit ein faires Honorar erhalten. Ab Sommer 2026 ist bereits die Ausbildung weiterer Frauen zur „Science Oma“ geplant, um der stetig wachsenden Nachfrage gerecht zu werden. Das Interesse an dem Projekt ist schon kurz nach der Vereinsgründung enorm und bestätigt das große Potenzial des Konzepts. Anfragen kommen mittlerweile aus ganz Österreich und zunehmend auch aus Deutschland. Eine konkrete Kooperation mit der Universität Ulm ist bereits etabliert, und das Projekt wurde zudem erfolgreich in Lissabon vorgestellt, was die internationale Relevanz unterstreicht.

Die Wirkung des Projekts war bereits in seiner Anfangsphase bemerkenswert. Bei den Kindern hinterließ die Begegnung mit den „Science Omas“ einen bleibenden und durchweg positiven Eindruck, was sich eindrücklich daran zeigte, dass einige von ihnen bereits zum zweiten oder sogar dritten Mal an den angebotenen Workshops teilnahmen. Die offensichtliche Freude und das wiederholte Interesse der jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer stellten den besten Beweis für den Erfolg des pädagogischen Konzepts dar. Doch das Projekt war von Beginn an mehr als nur ein effektives Instrument der Wissenschaftsvermittlung. Es etablierte sich als ein ganzheitliches Erfolgsmodell mit einer doppelten gesellschaftlichen Mission: Einerseits weckte es bei der nächsten Generation auf eine authentische und begeisternde Weise die Neugier für die Wissenschaft. Andererseits schuf es eine sinnstiftende, anerkannte und bezahlte Tätigkeit für Frauen in der nachberuflichen Lebensphase, förderte deren aktive Teilhabe an der Gesellschaft und stärkte den so wichtigen Dialog zwischen den Generationen.

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